Dienstag, 5. August 2014

Helfen ist einfach!

Endlich möchte ich euch mal etwas über die Organisation erzählen, in der ich seit April regelmäßig mithelfen darf - der Berliner Obdachlosenhilfe. Von jeder Hilfstour komme ich tief beeindruckt, bewegt, neu ausgerichtet und meistens glücklich nach Hause und kann diese ganzen Gefühle kaum in Worte fassen. Dass ich es doch einmal tue ist lange überflüssig, denn das alles für mich zu behalten kann ich noch weniger.

Die Berliner Obdachlosenhilfe ist eine Gruppe von Menschen, die es sich seit September letzten Jahres zur Aufgabe gemacht hat, in wöchentlich dreimal stattfindenden Hilfstouren Obdachlosen und anderen Bedürftigen ein gutes Essen und Kleidung zukommen zu lassen. Ganz einfach! So auch das Motto: "Helfen ist einfach". Und das ist es wirklich, sobald man seine eigenen Bequemlichkeiten und Ausreden überwunden hat. Man braucht keine Vorkenntnisse, keine besonderen Gaben, kein Geld, keine Bürokratie. Man geht hin und macht.

Eine Tour beginnt um 14 Uhr in dem seit einigen Wochen angemieteten Laden. Meistens werden ein Obst- und ein grüner Salat geschnitten, Brötchen und Süßteile geschmiert und verpackt, eine warme Mahlzeit gekocht und zwei Tüten Kleidung vorbereitet.
Das Besondere an der Obdachlosenhilfe ist, dass sie auf einer weiteren guten Sache basieren: Foodsharing. Beinahe alle Lebensmittel, die verwendet werden, sind von Betrieben aussortierte Sachen, die andernfalls im Müll gelandet wären. Es ist unglaublich, was da jede Woche an Obst, Gemüse, Backwaren und anderem zusammenkommt! Und es sind natürlich keine schlechten Lebensmittel. Meistens muss nur wenig aussortiert werden, der Rest wird zu köstlichen Mahlzeiten verarbeitet. Es sind erstklassige Menüs, die da auf die Beine gestellt werden. Spinat, Kartoffeln und Würstchen beispielsweise. Oder Reis mit Hähnchengeschnetzeltem und Gemüse. Oder Chili con Carne. Oder (kalter) Kartoffelsalat mit Buletten, als es einmal besonders warm war. Der Küchenchef geht da sehr kreativ mit dem um, was er bekommt. Wenn es x Kilo Gehacktes sind, brutzelt er eben in stundenlanger Arbeit Hunderte von Buletten (in kleinen Pfannen auf zwei kleinen Herdplatten). Improvisiert wird immer irgendwie, aber es riecht auch immer irgendwie gut in der Küche. Und gelobt wird das Essen jedes Mal.

Die Menschen, die die Berliner Obdachlosenhilfe ins Leben gerufen haben und dafür sorgen, dass wirklich Woche um Woche die drei Termine am Mittwoch, Samstag und Sonntag stattfinden damit sich die Gäste darauf einstellen können, beeindrucken mich jedes Mal. Es sind keine Christen. Sie tun das alles aus echter Nächstenliebe und für die Menschen auf der Straße. Ich weiß, dass das was ich tue, von Gott registriert wird, und dass er sich darüber freut. Sie aber haben diese Sicherheit nicht, kaum jemand sieht, womit sie die Stunden nach Feierabend oder am Wochenende verbringen. Sie haben keine Gegenleistung zu erwarten, und trotzdem kommen sie, manche dreimal in der Woche. Das beschämt mich, denn irgendwie kommt mir ihre Motivation dadurch reiner und sie selbstloser vor, als ich das schaffe. Es ist auf jeden Fall ein Ansporn.
Geschätzt ein Dreiviertel sind übrigens Jugendliche in meinem Alter. Viele kommen mit Freunden und haben mächtig Spaß während der Touren. Helfen muss nicht ätzend und anstrengend sein! Es sind eigentlich jedes Mal wieder neue Leute dabei. Es ist erstaunlich zu sehen, wie hoch die Bereitschaft unter Jugendlichen ist, zu helfen. Wenn ich dann manchmal ältere Menschen über "die Jugend", verdorben von Internet und Medien, faul und rücksichtslos, herziehen höre, ärgert mich das dann schon extrem. Aber das ist ein anderes Thema...

Station Alexanderplatz, das "Buffet" wird aufgebaut
Um ca. 17:30 Uhr werden dann die Autos bepackt und es geht los an den Leopoldplatz. Es wird immer gesagt, dies sei die härteste Station, aber ich habe noch nie etwas Schlimmes erlebt und mir wurde noch nichts geklaut. Die meisten der Gäste dort sind drogenabhängig und manchmal aggressiv. Aber Streitigkeiten die aufkommen wenn wir da sind werden schnell untereinander geklärt um uns nicht vom Wiederkommen abzuhalten. Wie an allen Stationen sind die Nationalitäten bunt gemischt, und es finden sich Menschen von ca. 18 bis um die 60 Jahre. Manchen sieht man sofort an, wo sie stehen, andere erscheinen gepflegt und ordentlich und sind doch bedürftig. Dankbar für die Mahlzeit sind alle, und das ist wieder etwas, was ich total beeindruckend finde. Wie oft sagen wir schon bewusst denen, die unser Essen bis zu vier Mal am Tag bereiten, "Danke"? Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, muss ich sagen selten bis gar nicht. Worte der Kritik gehen so viel schneller und leichter von der Zunge..
Manche Obdachlose hören gar nicht auf, sich zu bedanken. Ihre Augen funkeln, sie sagen einem immer wieder, wie toll das ist, dass man diese Arbeit tue, manche umarmen einen sogar. Es ist doch nur ein Essen?
Nein, ich glaube nicht. Mindestens genauso wichtig ist die Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die ihnen entgegengebracht wird. Wir unterhalten uns, diskutieren manchmal, gehen einfach nicht auf Abstand, auch wenn sie sich ständig am Kopf kratzen, stinken oder offene Wunden haben. Das ist anfangs nicht so ganz leicht, aber man kann ja hinterher duschen und außerdem geht ständig eine Desinfektionsflasche herum.Wichtig ist, dass unter der Dreckschicht der Mensch gesehen und respektiert wird.

Nach dem Leopoldplatz kommt der Alexanderplatz. Hier sind vor allem polnische Gastarbeiter anzutreffen, meistens gut gelaunt und zu Späßen aufgelegt. Manchmal, wenn auch selten, nähern sich auch Touristen oder Passanten und fragen nach, wer wir sind und was wir da machen. Für diesen Zweck gibt es eine kleine Dosen, in die spontane Spenden eingeworfen werden können. Sie steht immer neben dem Essen und hat mir schon manche "Wow!"-Momente beschert. Nämlich dann, wenn einer unsere Gäste ein paar letzte Cents aus seinem abgegriffenen Portemonnaie kramt und da rein steckt. Erinnert mich an die Witwe aus der Bibel... Diese paar Cents sind so viel wert.

Nach dem Alexanderplatz kommt das Kottbusser Tor. Auch hier finden sich vor allem Drogenabhängige. Was hier besonders ist: mindestens jede dritte Tour wird am Kottbusser Tor durch eine Demonstration zumindest kurzzeitig gestört. Wenn dann erst Unmengen an Polizeiwagen vorbeifahren und danach die Demonstranten vorbeimarschieren, ist bei uns Ebbe. Aber meistens hat der Spuk schnell ein Ende und es finden sich hinterher wieder viele Abnehmer für das gute Essen.
Manchmal haben wir an dieser Station nur noch sehr wenig zur Verfügung, manchmal ist noch sehr viel übrig. Es schwankt stark, aber generell lässt sich durch den Verbrauch der Pappschüsseln usw. sagen, dass bei jeder Tour weit über 100 bedürftige Menschen satt gemacht werden. Sind am Kotti Reste übrig, werden die auch noch weiterverteilt, wohin wird spontan entschieden.

Und dann ist die Tour gegen 22 Uhr zu Ende. Man ist müde, aber irgendwie glücklich. Und wenn man seine Haustür aufschließt, kann man das einmal mehr wertschätzen und wirklich dankbar sein. Denn trennt uns wirklich so viel von den Menschen, die, nach welchen Irr- und Abwegen auch immer, auf der Straße leben müssen? Ist es nicht einfach Gnade?

Berliner Obdachlosenhilfe e. V.
Buttmannstr. 1A
13357 Berlin
https://www.facebook.com/helfenisteinfach
http://www.berliner-obdachlosenhilfe.org/
helfen.ist.einfach@gmail.com


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen